Sehr geehrter Herr Diplom-Ingenieur,
Professor und Dr. ehrenhalber Leibinger,
sehr geehrte Professoren Späth und Schäfer,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Volkmar Hansen, Foto: Ekko von Schwichow, Berlin Zu den Wortkombinationen, die unmittelbar eine konkrete Autor-Assoziation wachrufen, gehört Goethes "Wiederholte Spiegelungen". Aus seinen Forschungen zur allgemeinen Physik und besonders der Optik gewonnen, überträgt Goethe 1822 die Formulierung in den sittlichen Raum der zwischenmenschlichen Beziehungen. Anlass ist ihm der persönliche Reisebericht eines befreundeten Bonner Naturforschers, der Sesenheim, den Ort der Liebesbegegnung mit der Pfarrerstochter Friederike Brion, verehrend aufgesucht hat. Goethe zeichnet die wiederholten Spiegelungen vom "jugendlich seeligen Wahnleben" über das innere Verwahren des Erlebten und die Schilderung in „Dichtung und Wahrheit" bis zur Erneuerung durch einen Dritten nach, der wegen dieser Schilderung den Ort aufsucht, sich umtut und eine eigene Schilderung der Gestalt wagt, die ihm gegenwärtig geworden ist. Schließlich erneu-ert sich durch diese zweite Schilderung in der "Seele des alten Liebhabers" das Bild der frühen Tage, wird belebende Gegenwärtigkeit. Die Spiegelungen steigern die Erscheinungen, die von "Spiegel zu Spiegel nicht etwa verbleichen", wie Goethes Fazit lautet, "sondern sich erst recht entzünden, und man wird ein Symbol gewinnen dessen, was in der Geschichte der Künste und Wissenschaften, der Kirche, auch wohl der politischen Welt, sich mehrmals wiederholt hat, und täglich wiederholt". So, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es mir mit der kraftvollen Porträtbüste des Gaius Cilnius Maecenas ergangen, der wir dank Bernard Andreaes stringenten Überlegungen und dann seinem unermüdlichen Einsatz, hier als wohlgearbeitet-wertvolle Marmorkopie begegnen dürfen. Wenn Sie heute im Berliner Amtsitz des Bundespräsidenten aufgestellt wird, so ist sie zu solch einem Symbol geworden. Deshalb möchte ich den früheren Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts besonders begrüßen, dem wir ein Gesicht verdanken, ein lesbares Menschenantlitz.

 

Erlauben Sie mir, anhand der eigenen Lernbiographie Begegnungen mit Maecenas zu beschreiben. Im Lateinunterricht kam der Schüler zumindest um die Bedeutung von Maecenas als vorbildlichem Kunstförderer für Vergil, Horaz und Properz nicht herum. Die "Oden" und erst recht die "Aeneis" lernte ich im Geschichtsstudium dann genauer einzuordnen. Schließlich wurde ich mit dem Gouachen-Zyklus "Zehn Aussichten vom Landhause des Horaz" von Philipp Hackert konfrontiert, der, nicht zufällig im idyllensüchtigen 18. Jahrhundert, die Wanderstationen von Rom bis ins Licenza-Tal festhält. In diesem Sommer konnte ich auf diesen Spuren schließlich die erst später freigelegten, aber noch vorhandenen Grundmauern der Villa des Horaz anschauen, bedenkend, dass Maecenas dem jungen Dichter, der gerade einmal den ersten Band seiner "Satiren" veröffentlich hatte, dieses Haus mit seiner oberhalb gelegenen frischen Quelle geschenkt hat.

 

Preisträger des Maecenas-Preises, den der Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute im Namen des Maecenas seit 1989 verleiht, werden von einer unabhängigen Jury bestimmt, die 2007 aus Eske Nannen, der Geschäftsführerin der Kunsthalle in Emden, Dr. Peter-Paul Schneider, dem ständigen Vertreter des Vorstands des Deutschen Rundfunkarchivs in Potsdam-Babelsberg, Professor Klaus Schrenk, dem Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Dr. Manfred Osten, dem früheren Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, Professor Thomas Wagner von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dr. Horst Claussen, Ministerialrat bei dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, und als Gast Prof. Dr. Herwig Guratzsch, Direktor der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf und mir als Vorsitzendem zusammengesetzt war. In einer intensiven Debatte kam die Jury zu dem einhelligen Entschluss, den "ehrbaren Kaufmann" Berthold Leibinger mit dem Preis zu ehren.

 

Welche außerordentlichen, bundesweiten Verdienste er sich um den Gedanken des bürgerschaftlichen Engagements, besonders der Förderung von Kunst und Wissenschaft, erworben hat, möchte ich der Schilderung durch unseren Laudator überlassen. Doch noch ein Wort zu dem Laudator selbst: Professor Späth übernimmt nicht zum erstenmal für den AsKI die Rolle der Annäherung an mäzenatisches Tun. 1993 hat er in Regensburg Marion Ermer in gewohnter Eloquenz gewürdigt. Ihm sei ausdrücklich für seine Bereitschaft gedankt, erneut zu uns zu sprechen.

 

Das Anstiften zum Stiften ist der wichtigste Zweck des Maecenas-Preises, und von daher steht der Preisträger zugleich für andere Stifter, die in jedem Jahr, aus ihrem Privatvermögen schöpfend, das Gemeinwohl im Auge haben. Jeder Preisträger repräsentiert viele Menschen, so etwa in diesem Jahr die 42 über die ganze Republik verteilten, keineswegs nur mit großen Vermögen ausgestatteten Privatpersonen, die dem Kasseler Museum für Sepulkralkultur den Ankauf des Zizenhausener Totentanzes ermöglicht haben. Wegen der Vielzahl solch engagierter Menschen wird der AsKI-Vorstand sich dafür einsetzen, dass der Preis zukünftig nicht mehr alle zwei Jahre, sondern im Jahresrhythmus verliehen wird. Wir danken der Bundesregierung für ihre Initiative, das Mäzenatentum durch die Erhöhung der privaten Sonderausgaben auf 20% zu fördern, eine Initiative, die gerade im Bundesrat eine wichtige Hürde genommen hat.

 

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf Goethes symbolgewordene "Wiederholte Spiegelungen" zurückkommen. Für ihn waren sie Ausdruck seiner Auffassung, dass nur Wissen produktiv mache. Wer von Ihnen Bildungsdeklarationen der jüngsten Zeit verfolgt hat, wird festgestellt haben, dass dort wiederholt "und zunehmend als allgemeingültig verstanden" die Meinung vertreten wird, im Zeitalter des Internet sei Wissen obsolet geworden, stelle sich dem Denken in den Weg. Maecenas könnte in einer solchen Konstellation einen neuen Symbolwert gewinnen: Er mahnt das Gegenteil an, nämlich sich und die Welt in einen erarbeiteten, erlebten oder gewussten Zusammenhang zu stellen, der über den Egoismus hinaus einen Sinn in der Gemeinnützigkeit findet. Um diesen Sinn zu stärken, sind wir hier versammelt - um den Einen zu ehren, der für Viele steht und doch der Eine ist.

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