Begrüßung durch Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Volkmar Hansen, Direktor des Goethe-Museums Düsseldorf, Vorsitzender des AsKI und der Maecenas-Jury

Sehr verehrter Herr Müller-Schott,
sehr geehrte Festversammlung!

 

Eine der anrührendsten Gestalten deutscher Literatur ist ein Bettelmusikant, „Der arme Spielmann" Franz Grillparzers. Bei einem Wiener Kirchweihfest, das das Volk besucht und sich selbst gibt, mit biedermeierlicher Progressivität auch Vornehme nur in ihrer Eigenschaft als Glieder des Volks einbezieht, erlebt der Erzähler und mit ihm der Leser in einem erfolglosen alten Mann eine komische Figur:

 

„Barhäuptig und kahlköpfig stand er da, nach Art dieser Leute, den Hut als Sammelbüchse vor sich auf dem Boden, und so bearbeitete er eine alte vielzersprungene Violine, wobei er den Takt nicht nur durch Aufheben und Niedersetzen des Fußes, sondern zugleich durch übereinstimmende Bewegung des ganzen gebückten Körpers markierte. Aber all diese Bemühung Einheit in seine Leistung zu bringen, war fruchtlos, denn was er spielte, schien eine unzusammenhängende Folge von Tönen ohne Zeitmaß und Melodie. Dabei war er ganz in sein Werk vertieft: die Lippen zuckten, die Augen waren starr auf das vor ihm befindliche Notenblatt gerichtet - ja wahrhaftig Notenblatt!".

 

Es ist die Tragik eines Menschen, der mit seelischem Reichtum ausgestattet ist, von der Kunst nicht lassen kann und doch völlig unbegabt ist. Es ist ein einsames Scheitern, daß Grillparzer dieser Erzählung eines seltsamen Künstlertums mitgibt.

 

Anne-Sophie Mutter verkörpert das Gegenbild dieses Künstlers von der traurigen Gestalt, sie flößt den Menschen Kraft ein, auch wenn ihr Spiel, wie alles große Künstlertum, aus dem Leiden kommt. Um es mit Goethe in der existentiellen Krise seiner letzten, vergeblichen Marienbader Liebe auszudrücken:

 

Da schwebt hervor Musik mit Engelsschwingen,
Verflicht zu Millionen Tön um Töne,
Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,
Zu überfüllen ihn mit ewger Schöne:
Das Auge netzt sich, fühlt im höhern Sehnen
Den Götterwert der Töne wie der Tränen.

 

So wie Frau Mutter mit ihrer Violine, der Stradivari Dunn Raven, selbstgebend ist, so nimmt sie die soziale Verantwortung der Kunst in einem unmittelbaren Sinn wahr, und der AsKI möchte dieses persönliche Engagement im Namen des Urbilds aller Kulturförderer, Maecenas, würdigen.

 

Daß er dies in diesem Jahr 2010 kann, ist dem Kulturstaatsminister Bernd Neumann zuzuschreiben. Er hat es möglich gemacht, daß wir zum erstenmal vom früheren zweijährigen Verleihungsrhythmus abweichen und zu einer jährlichen Ehrung übergehen können; er hat zudem mit dem Haushaltsjahr 2011 die benötigten Mittel als Zuwachs bereitgestellt. Die Berufung in sein hohes Amt war, wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben, eine Wohltat für die Kultur in Deutschland, und die dezidierten inhaltlichen Stellungnahmen, zuletzt durch den Schutz des Urheberrechts als Garant kultureller Vielfalt, sind in unserer föderal geprägten Landschaft richtungsweisend. Wir haben allen Grund ihm zu danken.

 

Die Entscheidung der Jury am 20. Januar 2009 für Frau Mutter ist ihr unter meinem Vorsitz nicht schwergefallen, fiel einstimmig. Ihr gehörten an: Dr. Michael Ladenburger, der die Vorschlaginitiative ergriffen hat, die tatkräftige Eske Nannen von der Kunsthalle Emden, Dr. Manfred Osten, der zitatenfeste frühere Generalsekretär der Alexander v. Humboldt-Stiftung, Prof. Dr. Klaus Schrenk, der als Generalsekretär der Bayerischen Staatsgemäldesammlung für wunderbare Kunstschätze verantwortlich ist, der Journalist Prof. Thomas Wagner, dessen Name sich mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" verbindet, schließlich Dr. Horst Claussen, dessen Beratung von dem bundesweiten Überblick als Ministerialrat beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Neumann, profitiert. Wir danken mit der Ehrung der Künstlerin Mutter für viele einzigartige musikalische Erlebnisse, danken ihr für den Willen zur Weitergabe ihres Könnens an eine jüngere Generation.

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