AsKI-Gemeinschaftspublikation: Folgenreich. Reformation und Kulturgeschichte

Paul Thumann, Luther übersetzt die Bibel, Öl auf Leinwand, 1872, Foto: Ulrich Kneise, Eisenach

Folgenreich. Reformation und Kulturgeschichte

"Wir wissen gar nicht, was wir Luthern und der Reformation im Allgemeinen Alles zu danken haben."

(Goethe)

Wussten Sie, dass der sog. „Singekrieg" – das Anstimmen evangelischer Choräle – in Lübeck zur Abschaffung der römischen Messe führte? Oder dass die berühmten Lutherzitate vom „Apfelbäumchen" oder von „Wein, Weib und Gesang" gar nicht von Luther stammen? Oder dass Luthers spätere judenfeindliche Haltung vor allem das Resultat vergeblicher Bekehrungsbemühungen war? Mit diesen und zahlreichen anderen Fragestellungen beschäftigt sich die neue Gemeinschaftspublikation des AsKI Folgenreich. Refomation und Kulturgeschichte, für die Udo Di Fabio das Vorwort verfasst hat.

Hoffnungstaler Werkstätten gGmbH, www.martin-luther-apfel.de500 Jahre Refomationsgeschichte haben ihre Spuren in allen Bereichen der Kultur hinterlassen. Dies gilt insbesondere für die deutsche Sprache, die durch Luthers Bibelübersetzung maßgeblich geprägt wurde, intensive Spracharbeit, die auch der Refomator häufig als Last empfand, wie Jutta Krauß in ihrem Beitrag über Luther und die deutsche Sprache herausstellt. Eine eigene Untersuchung thematisiert die Vorliebe Luthers für Sprichwörter und Redensarten, derer er sich reichlich bediente, sie populär machte, aber nicht immer der Erfinder derselben war, wie Rolf Bernhard Essig nachweist. Luthers herausragende Leistung im Hinblick auf die deutsche Sprache und die damit verbundene Entwicklung zu einem deutschen Nationalstaat erfuhr auch von seiten der protestantischen Dichter höchste Wertschätzung; Goethe plante zum Jubiläumsjahr 1817 eine Reformationskantate, die er allerdings später aus verschiedenen Gründen wieder verwarf, wie Heike Spies in ihrem Aufsatz über Goethes Lutherbild darlegt. Bei Kleist wird Luther sogar zur literarischen Figur, die den Wendepunkt in der Erzählung „Michael Kohlhaas" herbeiführt.

Künstlerische Annäherungen an die Person des Reformators zeigen auch die Abhandlungen von Günter Schuchardt und Daniel Hess/Oliver Mack, die sich mit den Lutherbildnissen der Cranach Werkstatt beschäftigen oder auch die von Kai Fischer über die Porträtbüsten Luthers und Melanchthons von Gerhard Marcks. Wie sehr die Reformation aber auch auf die Bildsprache setzte und sie für ihre Zwecke einzusetzen verstand, machen Ingrid Dettmann und Ulrike Eydinger anhand der illustrierten Einblattdrucke aus der Sammlung der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha deutlich. Auch am Thema Abendmahl etwa lässt sich darstellen, wie dieses im Rahmen der propagierten Glaubensrichtung funktionalisiert und verändert wurde – so Isabel Greschat vom Museum der Brotkultur.

Ein weiterer Themenkomplex des vorliegenden Bandes beschäftigt sich mit den weitreichenden kulturhistorischen Folgen, etwa im Bereich der Begräbnis- und Friedhofskultur nach Luther oder in der Fortsetzung reformatorischer Anliegen im Halleschen Pietismus durch das großartige Sozial- und Bildungswerk August Hermann Franckes, der mit Hilfe des von ihm gegründeten Missonswerks seine Ideen bis ihn die entlegensten Weltregionen verbreitete. Mit der Ausbreitung der Reformation im Norden am Beispiel der Städte Lübeck, Husum und Stralsund unter den dänisch-norwegischen Königen und den damit verbundenen protestantischen Moral- und Wertvorstellungen beschäftigt sich Uta Kuhl in ihrem Aufsatz über Luthers Norden, einem Thema, dem 2017 eine große Sonderausstellung der Schleswig-Holsteinischen-Landesmuseen Schloss Gottorf gewidmet ist.

Judensau, Holzschnitt, ca. 1470. Das unreine Schwein steht symbolisch für die sündigen Juden. Foto: [Public domain] via Wikimedia CommonsWeitere Beiträge widmen sich den politischen Folgen der Reformation: den Reformationsprozessen vor dem Reichskammergericht, die eine Zeit lang die kriegerischen Auseinandersetzungen vermeiden konnten oder den Ernestinern als Schutzherren der Reformation, die es verstanden, durch eine intensive Förderung der Wissenschaft und Künste und eine kluge Heiratspolitik die militärische Niederlage in einen moralischen Sieg umzudeuten. Den Motiven für Luthers spätere judenfeindliche Haltung und deren Auswirkungen bis in die jüngste Geschichte geht Thomas Kaufmann nach.

Last but not least zeigt Susanne Popp, welche Rolle Luthers Kirchenlied im Schaffen von Max Reger spielt. Damit ist das kulturelle Spektrum dieses Bandes umrissen und vermag anzudeuten, was die Reformation in kultureller Hinsicht war: folgenreich!

Dr. Ulrike Horstenkamp
Geschäftsführung des AsKI e.V.


AsKI-Gemeinschaftspublikation

Folgenreich. Reformation und Kulturgeschichte

AsKI, Bonn 2016, Hardcover, 304 S.
mit zahlr. Abb., 19,80 €
ISBN: 978-3-930370-41-2
www.askishop.de

AsKI KULTUR lebendig 2/2016

.

xxnoxx_zaehler