AsKI-Gemeinschaftsausstellung 2009/2010

Johann Wolfgang von Goethe, West-oestlicher Divan, Erstausgabe 1819, © Goethe-Museum Düsseldorf

Begegnung mit dem Fremden. Frühe Orientbilder im 17. - 19. Jahrhundert : Teil I

Wann empfinden wir das Fremde als Faszinosum, wann als Bedrohung? Welchen Einfluss hat die Konfrontation mit dem Neuen, dem Anderen auf die eigene kulturelle Identität? In welcher Weise kann Kultur einen Prozess wechselseitiger Annäherung initiieren bzw. vorantreiben?

Diesen Fragen hat sich der AsKI seit 2005 innerhalb eines 5-Jahres-Programms zum Thema „Toleranz und Integration" gestellt und versucht, sie im Rahmen von mehreren Veranstaltungen - Vorträgen mit Podiumsdiskussion, einer Fachtagung und nun einer Ausstellung - zu beantworten. Die Reihe will dazu beitragen, das Bewusstsein für eine Vielfalt zu schaffen, die aus der wechselseitigen Anerkennung von Unterschieden erwächst. Die aktuelle AsKI-Gemeinschaftsausstellung „Begegnung mit dem Fremden. Frühe Orientbilder im 17.-19. Jahrhundert" möchte veranschaulichen, in welchem Umfang durch Auseinandersetzung mit einer fremden, nah- und fernöstlichen Kultur damals eine Bereicherung der eigenen stattgefunden hat: Faszinosum statt Bedrohung.

Auf ihrer ersten Station wurde die Ausstellung Ende September im Goethe-Museum Düsseldorf eröffnet. Bei strahlendem Spätsommerwetter erlebten die zahlreich erschienenen Gäste eine stimmungsvolle Veranstaltung - das Plätschern des Springbrunnens im Garten von Schloß Jägerhof vermittelte ein fast orientalisches Ambiente.

In seinem Grußwort stellte Prof. Dr. Volkmar Hansen, Vorsitzender des AsKI und Direktor des Goethe-Museums, die einzelnen Kabinettbereiche der Ausstellung vor und betonte, dass „der Gedanke von der Gleichgewichtigkeit aller Kulturkreise, ihrer Gleichberechtigung eine große Errungenschaft" sei.

Goethe-Museum Düsseldorf, Eröffnung am 27.9.2009, Foto: Franz Fechner, Bonn

Dr. Horst Claussen, Ministerialrat beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, wies in seinem Grußwort darauf hin, man habe seit dem Schock des 11. September 2001 gelernt, dass es „ein Versäumnis war, das Fremde nicht auch als Fremdes wahrzunehmen, das durch vermeintliches Verstehen nicht umstandslos vereinnahmt werden kann und darf". Er würdigte die kulturhistorisch orientierte Ausstellung als eine von „zahlreichen Bemühungen" des AsKI der letzten Jahre „um einen differenzierten Blick auf zentrale Aspekte (...) deutscher Wahrnehmung einer fremden Welt". Dieses ambitionierte Projekt belege „eindrucksvoll das breite Sammlungs- und Forschungsspektrum der im Arbeitskreis zusammengeschlossenen Einrichtungen", sie belege aber auch, dass „dieser Zusammenschluss mehr ist als die Summe seiner Mitglieder". Der Bund fördere den Arbeitskreis seit seiner Gründung, „weil ihm die Stärkung privaten Engagements für Kultur und Kunst (...) ein besonderes kulturpolitisches Anliegen" sei.

Zur Einführung hielt Dr. Heike Spies, stellvertretende Direktorin des Goethe-Museums, einen Vortrag mit dem Titel „Goethes ,West-östlicher Divan‘. Brücke und Brunnen", der nicht nur die Brücke zwischen Orient und Okzident schlug, sondern auch zwischen Goethes Spätwerk und Thomas Manns monumentaler Tetralogie „Josef und seine Brüder": „Jede intensive Beschäftigung mit dem Fremden, weil zunächst Andersartigen, weil zum bewussten, konzentrierten Beobachten des Unvertrauten und zum geradezu zwangsläufig einsetzenden Vergleich anregend, birgt aufgrund der natürlichen Perspektivik von ‚innerhalb‘ und ‚außerhalb‘ die Möglichkeit tragfähigen Brückenschlags in die eine wie die andere kulturelle Richtung." Die sich anschließende „Literarisch-Musikalische Lesung", getragen vom Deutsch-Iranischen Kulturzentrum in Düsseldorf, gestalteten Nahid Shiva (Gesang), Reza Beheshtipour (Violine), Markus Gerhold (Musiker, Komponist) und Wolfgang Grimm (Ehrenvorsitzender). Rezitiert wurde u.a. aus dem „Schah Nameh" des Firdusi (persisch), dem „Diwan" des Hafs (persisch) und aus der Übersetzung von Goethes „West-östlichem Divan" durch Mahmoud Hadadi (Teheran 2004).

Die Ausstellung

Die Ausstellung gliedert sich in drei Kabinettbereiche: Begegnungen, ermöglicht durch Reisen in den Orient, durch den Dialog verschiedener Religionen in der Fremde, durch archäologische Forschungen und Ausgrabungen; Inspirationen, ausgelöst durch die Beschäftigung mit orientalischer Kunst und Kultur als Anregung für das eigene künstlerische Schaffen; Orient-Mode, widergespiegelt in den Chinoiserien der vornehmen Adelsgesellschaft - Delfter Fayence, Meißner Porzellan, Fächer mit asiatischen Motiven -, aber auch in den „Muselmanen in Gebäcken" der ‚einfachen Leute'.

Adam Olearius, Carsten Niebuhr und andere Orient-Reisende Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf

Der erste Teil der Begegnungen beschäftigt sich mit Reisebeschreibungen des 17. und 18. Jahrhunderts, insbesondere mit der aus kulturgeschichtlicher Sicht folgenreichen Reise der holsteinischen Gesandtschaft (1633-1639), die über Moskau in die persische Hauptstadt Isfahan führte und den Seidenhandel mit Persien zum Ziel hatte. Als Gesandtschaftssekretär begleitete der Theologe Adam Olearius die Reise, der nach Abschluss der Expedition ausführlich über den Reiseverlauf, die bereisten Länder und die fremden Sitten berichtete.

Adam Olearius (1599–1671), Viel Vermehrte Moscowitische und Persianische Reisebeschreibung wie auch Mandeslo u. Anderßen nebenst andern von Adam Olearius außgegebene Schriften. Von Neuen auffgelegt Ao 1696, (Schleswig, 1696) Goethe-Museum, Düsseldorf

Dies tat er mit so großem Interesse an den fremden Kulturen, dass er aus der wirtschaftlich wirkungslosen Reise einen kulturhistorischen Erfolg machte. Die 1647 veröffentlichte Reisebeschreibung zeichnete ein auf Objektivität gerichtetes Bild der Länder und Menschen, die bis dahin in Europa eher fremd und mit Vorurteilen behaftet waren. 1656 legte Olearius eine noch ausführlichere Ausgabe vor, in der er eine präzise Messung des Wolgalaufes veröffentlichte. Auch bestimmte er die Lage des Kaspischen Meeres neu. Diese Ausgabe, die mehrfach nachgedruckt und ins Englische, Französische und Niederländische übersetzt wurde, blieb noch bis ins 19. Jahrhundert hinein das Standardwerk für Persien und Russlandreisende.

Auch andere Reisende erkundeten den Orient und berichteten darüber: so z.B. der deutsche Mathematiker und Kartograf Carsten Niebuhr Arabien, Philippus Baldaeus die südindische Malabar-Küste sowie der französische Botaniker Joseph Pitton de Tournefort im Auftrag von König Ludwig XIV. die Levante.

Die Dänisch-Hallesche Mission in Tranquebar, Indien Franckesche Stiftungen, Halle

Der zweite Teil der Begegnungen dokumentiert die Anfänge der Dänisch-Halleschen Mission in Südostindien. Im Jahr 1705 schickte der dänische König Friedrich IV. (1671-1730) die lutherischen Missionare Bartholomäus Ziegenbalg (1682-1719) und Heinrich Plütschau (1677-1747) in seine Handelskolonie Tranquebar. Sie waren Schüler des pietistischen Pastors und Theologieprofessors August Hermann Francke (1663-1727), der in Glaucha vor den Toren Halles ein Waisenhaus und Schulen errichtete, die Fundament und Ausgangspunkt für eine universale, religiös fundierte Verbesserung aller Stände inund außerhalb Deutschlands bilden sollten.

Palmblatthandschrift, Franckesche Stiftungen, Halle

Francke hatte die Vision einer weltweiten Verbreitung des Pietismus und förderte deshalb das Missionsunternehmen. Zeugnisse dieses interkulturellen Dialogs werden heute in den Sammlungen der Franckeschen Stiftungen aufbewahrt und in der Ausstellung gezeigt: die erste protestantische Missionszeitschrift, die Halleschen Berichte, in denen die Briefe und Nachrichten der Missionare von Land und Leuten überliefert sind, Palmblatthandschriften mit Texten in Tamil und Telugu, biblische Texte und christliche Erbauungsliteratur in tamilischer Sprache, hinduistische Kultgegenstände, die Korrespondenz der Missionare mit den Direktoren und Mitarbeitern der Franckeschen Stiftungen, mit protestantischen Predigern und mit Gelehrten in ganz Europa sowie mit den Indern selbst, darunter Hindus verschiedener Kasten, Moslems, Rechtsgelehrte, Kaufleute und auch indische Fürsten.

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AsKI-Newsletter KULTUR lebendig 2/2009

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