Kleist-Museum, Frankfurt (Oder) : Ein freier denkender Mensch bleibt da nicht stehen, wo der Zufall ihn hinstößt ... " - Heinrich von Kleist im Österreichischen Theatermuseum Palais Lobkowitz

AsKI-Logo klein

Heinrich von Kleist, Portrait von Max Slevogt, 1911, Foto: Kleist-Museum Frankfurt (Oder)

Ein freier denkender Mensch bleibt da nicht stehen, wo der Zufall ihn hinstößt; oder wenn er bleibt, so bleibt er aus Gründen, aus Wahl des Bessern." - Als Kleist im Mai 1799 diese Worte an seine Schwester Ulrike schrieb, hatte er gerade seine Wahl getroffen, sich dem „Zufall", seiner durch Herkunft und Tradition vorbestimmten Rolle, entgegengestellt und mit der Verwirklichung seines eigenen Lebensplans begonnen:

Nach „sieben unwiederbringlich verlornen Jahren" im preußischen Militärdienst bat Kleist 1799 um Demissionierung und schrieb sich an der Universität seiner Heimatstadt Frankfurt an der Oder als Student ein, „aus Neigung zu den Wissenschaften, aus dem eifrigsten Bestreben nach Bildung".

Die Selbstgewissheit, den richtigen Lebensweg gefunden zu haben, hielt nicht lange; schon nach drei Semestern brach Kleist sein Studium ab und zu neuen Ufern auf. Kleists ungewöhnlicher und ruheloser Lebensweg führte ihn durch ein ruheloses Europa.

Er war als fast noch Kind schon Offizier, als Student dann älter als die meisten seiner Kommilitonen, war Reisender, Schreibender, vermeintlicher oder tatsächlicher Spion, Beamter, Kriegsgefangener, verhinderter Buchhändler, Herausgeber, politischer Propagandist, Boulevardjournalist, die Konventionen kenntnisreich nutzender Nonkonformist - und vor allem ein Dichter, unter den merkwürdigsten und schwierigsten Bedingungen. Im Ringen um die unbedingte Verwirklichung des eigenen Anspruchs schuf Kleist in wenigen Jahren ein literarisches und journalistisches Werk, das 200 Jahre später moderner denn je ist.

Die Biographen des 19. und 20. Jahrhunderts sahen Kleist vornehmlich als einen an der Zeit gescheiterten Dichter, dessen Leben sich folgerichtig auf ein tragisches Ende hin bewegt hatte. Die Ausstellung zeigt Kleists Leben voller hoffnungsvoller Aufbrüche und ebenso entschlossener Abbrüche, voller Mut, Entscheidungen zu treffen, auch wenn Familie und Zeitgenossen ihn nicht verstanden. Mit Beharrlichkeit und bei allen Rückschlägen scheint Kleist fest an sich selbst und das eigene Ziel geglaubt zu haben, ein Anspruch, mit dem er unserem modernen Leben nah ist. Sein Gedanke vom Lebensplan lässt sich bis zu seinem spektakulären Freitod, dem Höhepunkt seiner Selbstinsenierung, weiter verfolgen.

Sicherlich war es alles andere als einfach, Kleists Schwester, Verlobte, Freund oder Freundin, Geliebte oder Geliebter, Geschäftspartner oder Gesinnungsgenosse zu sein. Als Leitmotiv der Ausstellung anlässlich des Kleistjahres 2011 dienen die Selbstäußerungen Kleists in seinen Briefen, in all ihrer Widersprüchlichkeit und Zerrissenheit.

So entsteht ein Bild des Dichters, das ergänzt wird mit Exkursen zu einigen seiner Dramen, zum Beispiel dem am 17. März 1810 im Theater an der Wien uraufgeführten „Käthchen von Heilbronn", mit umfangreichen Beispielen seiner journalistischen Tätigkeit als Herausgeber der ersten Boulevard- und Tageszeitung Berlins und mit Zitaten aus seinem Werk.
Kleists unstetes und unkonventionelles Leben führte nie zu einer bürgerlichen Hausstandsgründung - einer der Gründe dafür, dass kaum materielle Überlieferung vorhanden ist. Die im Theatermuseum gezeigten seltenen Exponate reichen vom Autographen des „Zerbrochnen Krugs", einem der wenigen überlieferten Originalmanuskripte Kleists (eine Leihgabe der Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz), über wertvolle Handschriften aus Wiener und Frankfurter Beständen bis zu den seltenen materiellen Spuren seines Lebens, wobei ein Schwerpunkt auf seiner Herkunft aus einer angesehenen preußischen Adelsfamilie liegt.

Die Ausstellung wurde von Anette Handke (Kleist-Museum) und Andreas Kugler (Österreichisches Theatermuseum) kuratiert, von Gerhard Veigel (artex, Wien) gestaltet und entstand als Kooperationsprojekt des Österreichischen Theatermuseums und des KleistMuseums in Frankfurt (Oder), der Geburtsstadt des Dichters, das mit mehr als 34.000 Bestandseinheiten in Bibliothek und Sammlungen über die derzeit größte Dokumentation zu Heinrich von Kleist und seinem literaturgeschichtlichen Umfeld verfügt.

Linda Krieg


Heinrich von Kleist 1777-1811
20. Oktober 2011 bis 9. April 2012
Österreichisches Theatermuseum
Palais Lobkowitz
Lobkowitzplatz 2, Wien 1
Täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr

 

AsKI KULTUR lebendig 2/2011

.

xxnoxx_zaehler