2005: 100-jähriges Jubiläum des Künstlerhauses Villa Romana und des ältesten deutschen Kunstpreises

Helga Tiemann, Hermann Josef Abs, 1983, © Foto: Andreas M. Rauch Bonn/Berlin

Florenz ist eine anstrengende Stadt: Motorini knattern durch die Gassen, ebenso Autos mit ihren stinkenden Abgasen. Und Touristen über Touristen, das ganze Jahr hindurch, vor allem zwischen März und Oktober, sechs Millionen jährlich!

Manch ein Besucher von Florenz würde am liebsten auf dem Absatz umdrehen und die Stadt gleich wieder verlassen. Das ist die Wahrheit, und man sollte sie nicht verschweigen. Die Wahrheit ist aber auch, dass Florenz eine der schönsten, interessantesten und lebendigsten Städte Europas ist, ein "open-air"-Museum die ganze Stadt und zugleich eine der wichtigsten Kunstmetropolen der Welt. Florenz präsentiert sich als Hauptstadt der italienischen Renaissance, als eine Schnittstelle zwischen Antike und Neuzeit.

Der Begründer und Stifter des Künstlerhauses Villa Romana, Max Klinger(1), Bildhauer, Radierer und Maler aus Leipzig, verwirklichte sich 1905 in der Via Senese 60-68 einen Lebenstraum, der seine Wurzeln im deutschen Klassizismus und Historismus sucht - zwei Kunstrichtungen, die aus der deutschen Romantik erwachsen sind. Klinger(2) ließ sich beim Kauf der Villa und der Ausreichung des Villa-Romana-Preises leiten von einer Rückbesinnung auf antike Traditionen, von einer christlich-religiösen Sinn- und Identitätssuche, seiner Italiensehnsucht und seiner Liebe zur Natur. Diese vier Motive prägen und formen als geistiges Erbe und Vermächtnis Klingers das Selbstverständnis und die Arbeit der Villa Romana und ihrer Stipendiaten bis heute; zugleich geben sie einen Orientierungsrahmen auch für das künftige Wirken des Künstlerhauses Villa Romana.

Das Jubiläum von Künstlerhaus und Kunstpreis Villa Romana - dem ältesten Kunstpreis Deutschlands - gewinnt einen großen Teil seiner heutigen Wirkungskraft aus einer Schnittmenge von bildender Kunst und literarischem Intellekt, gesellschaftspolitischem Diskurs und wissenschaftlicher Auseinandersetzung, verkörpert von Personen wie Käthe Kollwitz und Hans Purrmann(3), Heinrich Mann und Max Liebermann, Hans Breker und Theodor Heuss(4). Einig sind sich die Direktoren der Villa Romana, ihre Künstler und Gäste in ihrer Überzeugung von der Notwendigkeit künstlerischer Freiheit, die einer tief verankerten Berufung des Menschen zur Freiheit entspringt (Alexander von Humboldt). Die Geschichte des Künstlerhauses Villa Romana ist somit als ein Angebot an seine Direktoren, Künstler und Gäste zu verstehen - und an seine Förderer. So unterstützt die Deutsche Bank AG, wohl auch angestoßen durch die freiheitsliebende, liberale Außenwirkung des Künstlerhauses, seit 1928 die Aktivitäten der Villa Romana; nach dem II. Weltkrieg waren es Vorstandssprecher Hermann Josef Abs(5) und sein Generalbevollmächtigter Prof. Dr. Hermann Herold(6), die sich für die Wiedereröffnung des Künstlerhauses einsetzten. Ein weiteres Moment für die Strahlkraft von Künstlerhaus und Kunstpreis liegen in Bibliothek, Archiv und Sammlung Villa Romana begründet. Klinger wollte mit der Villa Romana kein Museum errichten, aber doch eine Stätte der Kultur und des künstlerischen Austausches. Hierzu gehört auch die ständige Präsentation von Kunst in der Villa Romana, angefangen von Klingers "Kuss der Sirene", über Arbeiten von Böcklin und Purrmann bis hin zu Baselitz, Stoer und Tiemann(7). Im Archiv der Villa Romana werden über 400 Briefe Max Klingers verwahrt, die inzwischen abgeschrieben sind und in Zukunft veröffentlicht werden sollen; die Bibliothek zählt 3000 Bände. Bibliothek, Archiv und Sammlung Villa Romana stellen einen schützenswerten, kulturellen Schatz dar; daran sei im fünfzigsten Jubiläumsjahr der Haager Konvention zum Schutz und zur Sicherung von Kunstwerken und Archivalien erinnert.(8)

Zum hundertjährigen Jubiläum 2005 wartet die Villa Romana mit verschiedenen Aktivitäten auf. So wird die Jubiläumsausstellung der Villa Romana im Neuen Museum Weimar im September 2005 stattfinden. Die Goethe-Stadt Weimar mit ihren klassizistischen Gebäuden, in deren Erbauungszeit auch die Errichtung der Villa Romana fällt, steht auch für Klingers Liebe zur Natur und seine Italienbegeisterung. Der Kunstverein Ettlingen wird mit Villa-Romana-Stipendiaten der vergangenen fünf Jahre eine Ausstellung durchführen. In Planung ist eine Ausstellung zur Villa Romana im Archäologischen Institut Rom. Für das Jubiläumsjahr befindet sich eine zweibändige Publikation des Kunsthistorikers Philipp Kuhn aus Baden-Baden in Vorbereitung: "Villa Romana. Max Klingers Künstlerhaus in Florenz". Vorgesehen sind ein Ausstellungskatalog und Plakate zur Weimarer Jubiläumsausstellung.

Das Jubiläum der Villa Romana fällt in eine Umbruchsituation. So wurde der künstlerische Direktor der Villa Romana, Joachim Burmeister, im November 2003 pensioniert; der Vorstand des Villa Romana Vereins hat Herrn Burmeister bevollmächtigt, das Künstlerhaus Villa Romana bis 31. Dezember 2005 zu leiten. In der ersten Jahreshälfte 2006 ist eine umfängliche Innensanierung der Villa Romana geplant, die sich vor allem auf Strom-, Wasser- und Telephonleitungen sowie auf sanitäre Einrichtungen bezieht; unbestritten wird dabei das historische Gesicht der Villa Romana gewahrt, also seine völlig intakten Holzfenster, seine kostbaren Marmorböden im Erdgeschoss und seine wertvollen klassizistischen Wandmalereien im I. Stock. Zudem sollen bessere Lagerungsmöglichkeiten für Archiv und Sammlung Villa Romana geschaffen werden, vor allem für graphische Werke. Zur Vorbeugung von Spekulationen sei festgestellt, dass die Villa Romana von Max Klinger persönlich erworben und durch einen letztwilligen Stiftungsakt auf den Verein Villa Romana als Rechts- und Finanzträger übertragen wurde. Mit Dekret des Königs Viktor Emanuel III. von Italien wurde am 2. September 1907 der Villa Romana Verein als juristische Person in Italien anerkannt. Nach der Beschlagnahmung der Villa durch den italienischen Staat im II. Weltkrieg zeigten die Rechtsauseinandersetzungen meines Großvaters, Prof. Herold, mit der Republik Italien, dass auch die Republik Italien als Rechtsnachfolger des Königreiches Italien den Rechtsakt von 1907 anerkennt. Die Villa Romana ist damit unveräußerlich. Im Falle einer Auflösung des Vereins ist das Vermögen auf eine andere gemeinnützige und mildtätige Körperschaft zu übertragen, die das Künstlerhaus im Sinne von Max Klinger fortführt. Die Villa Romana bleibt als kulturelle Einrichtung im Rahmen des deutsch-italienischen Kulturabkommens ein fester Bestandteil der deutschen auswärtigen Kulturpolitik.

Prof. e.h. Dr. Andreas M. Rauch
ehrenamtlicher Vertreter der Villa Romana

Anmerkungen

(1) vgl. Max Schmid: Klinger. Bielefeld, Leipzig 1913 (Künstlermonographien Nr. 41). Franz Servaes: Max Klinger. Berlin 1916
(2) Gustav Kirstein: Die Welt Max Klingers. Berlin 1918; Ferdinand Avenarius: Max Klinger als Poet. München 1919
(3) Berthold Roland (Hg.): Der Maler Hans Purrmann. Speyer 1880 - 1966 Basel. Bonn 1987
(4) Theodor Heuss: Lust der Augen. Stilles Gespräch mit beredtem Bildwerk. Tübingen 1960
(5) vgl. Hermann J. Abs: Entscheidungen 1949-1953. Die Entstehung des Londoner Schuldenabkommens. Mainz, München 1991; Lothar Gall, Gerald D. Feldman, Harold James, Carl-Ludwig Holtfrerich, Hans E. Büschgen: Die Deutsche Bank 1870-1995. München 1995
(6) vgl. Hermann Herold: Die Villa Romana in Florenz. Düsseldorf 1961; Ders.: Das Kreditgeschäft der Banken. Hamburg 1959
(7) In der Sammlung Villa Romana in Florenz befinden sich Porträts der Kölner Malerin Helga Tiemann von Hermann Josef Abs und Hermann Herold, die ihr persönlich Porträt gesessen haben; beide Persönlichkeiten sind auf das Engste mit der Geschichte der Villa Romana verbunden und begründen überhaupt deren gegenwärtige Existenz
(8) vgl. Adalbert Hoesle: Index. ZBO-SdM 052004. Subduktive Maßnahmen. 50 Jahre Haager Konvention - 50 Jahre Pflege kultureller Werte. 1500 Jahre Sonderschutz für 50 Kunstwerke. Köln 2004

 

AsKI KULTURBERICHTE 2/2004

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