2002 - Jubiläen im AsKI: 150 Jahre Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg I

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Haupteingang des Germanischen Nationalmuseums in der Kartäusergasse 1, Foto: Dirk Messberger

Teil I : Wie war es zur Gründung des Museums überhaupt gekommen?

Am 16. August 1852 trat in Dresden unter Vorsitz des Kronprinzen und späteren Königs Johann von Sachsen ein Kollegium von Historikern zusammen, die die wichtigsten deutschen Geschichtsvereine repräsentierten. Sie waren mit der Absicht gekommen, den Vereinen feste Strukturen zu geben und ihre Arbeit auf diese Weise zu koordinieren. So wurden zwei Beschlüsse gefasst: Am 16. August gründeten sie einen Gesamtverband der Geschichts- und Altertumsvereine, am 17. August 1852 das Germanische Nationalmuseum.

Auf beide Entscheidungen hatte Hans von Aufseß maßgeblichen Einfluss, aber auch die Vertreter anderer Geschichtsvereine mussten lange auf diese Tage warten. Zu ihnen zählt etwa der hessische Historiker Georg Landau, der bis zu seinem Tode dem Gelehrtenausschuss des Germanischen Nationalmuseums angehören sollte.

Der fränkische Adlige Hans von und zu Aufseß hatte ein wirklich zukunftsweisendes Konzept entwickelt. Nicht die Präsentation von Macht, sondern von geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Zusammenhängen bestimmte sein Interesse. Im Jahre 1832 ließ er den ersten Band des "Anzeiger(s) für die Kunde des deutschen Mittelalters" veröffentlichen, der allerdings 1839 wieder eingestellt werden musste. In dieser Zeit sammelte Aufseß im Stillen, was ihm persönlich als Kulturgut für den "germanischen" Raum, also die deutschsprachige Zone inmitten Europas sowie deutsche Enklaven im Osten Europas, typisch zu sein schien. Er sammelte diese Exponate auf seiner Burg Unteraufseß, wo er im Bergfried auch ein eigenes Studierzimmer einrichtete, das heute noch zu besichtigen ist. Die Sammlung in unmittelbarer Nähe Nürnbergs anzusiedeln war dabei eine hervorragende Entscheidung. Mehr als ein halbes Jahrtausend stand Nürnberg im Mittelpunkt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, das eine feste Hauptstadt nie gekannt hatte. Nur Wien hätte ähnliche Bedingungen bieten können - dort gab es jedoch bereits die seit dem späten 16. Jahrhundert zusammengetragene Sammlung des allerhöchsten Kaiserhauses, was die Gründung einer weiteren Sammlung eher behindert als befördert hätte.

Trotz des Scheiterns der Revolution von 1848/49, die dem Land mit seinen vielen Kleinstaaten eigentlich eine demokratische Einigung bringen sollte, blieb der Gedanke wach, sich im kulturellen und geschichtlichen Bereich mit der Nation ohne die lästigen Grenzen zu beschäftigen. Mehrfach machte Hans von Aufseß Anstalten in diese Richtung. 1852 gelang es ihm schließlich den Beschluss herbeizuführen, dass "1. die weitere Begründung und Ausbildung des Germanischen Museums der Generalversammlung dringend anzuempfehlen sei," und "2. das Museum von dem heutigen Datum als begründet betrachtet" werden solle. Das Gründungsdatum war somit der 17. August 1852.Behaim-Globus, © Foto: J. Musolf / Germanisches  Nationalmuseum, Nürnberg

Bereits am 18. Juli 1853 erfolgte die Anerkennung der neuen Einrichtung als "nationales Unternehmen" durch die Deutsche Bundesversammlung in Frankfurt, fortan wurde das Museum als "Germanisches Nationalmuseum" bezeichnet. Es sollte allerdings noch fünf Jahre dauern, bis ein Standort für das Museum gefunden war. Zwar favorisierte man Nürnberg, doch wollte man die Unterstützung des bayerischen Königs haben, der sich mit seiner Entscheidung viel Zeit ließ. Stattdessen gab es Offerten, das Museum auf der Wartburg oder in Coburg anzusiedeln, also in Sachsen, und es mit den jeweiligen fürstlichen Sammlungen zu vereinen.

1857 schließlich schenkte der bayerische König dem neuen Museum - bis dahin provisorisch im Nürnberger Tiergärtner Turm untergebracht - das ehemalige Kartäuserkloster am Südrand der Altstadt. Zudem half er beim Aufbau des zuletzt als Militärarsenal genutzten und dadurch stark in Mitleidenschaft gezogenen Gebäudes. Einen festen Etat für das Museum gab es nicht, Ankäufe musste man durch Spenden finanzieren, selbst die Kosten für das Personal mühsam einwerben. Dennoch waren die der Gründung folgenden Jahrzehnte überaus erfolgreich. Aus allen deutschsprachigen Gebieten - von den Niederlanden über die Schweiz bis nach Österreich - kamen bedeutende Geschenke oder Leihgaben an das Museum, das seinem Rang als Nationalmuseum schon bald gerecht werden konnte.

Die Präsentation der Sammlung in einem mittelalterlichen Kloster entsprach dem Geschichtsbezug des Museumsauftrags. Als Aufgabe des Museums wurde von seinem Gründer Hans von Aufseß festgelegt, es solle ein "wohlgeordnetes Generalrepertorium über das ganze Quellenmaterial für die deutsche Geschichte, Literatur und Kunst, vorläufig von der ältesten Zeit bis zum Jahr 1650, herstellen." Ziel war es, das gesamte Wissen um diese Bereiche zu gliedern und zu ordnen, zu sammeln und verfügbar zu machen. Dieses Wissen bestand aus Büchern, Akten und Kunstwerken, aber auch aus Gebäuden, die man allerdings nicht komplett ins Museum übertragen, sondern nur bildlich dokumentieren wollte. Ein Repertorium ist in erster Linie eine Sammlung von Daten, weniger von Originalen. So war die Abschrift einer Urkunde, der Abdruck eines Siegels oder der Gipsabguss einer Skulptur ein dem Original gleichwertiger Sammlungsgegenstand.

Erst heute ist man wieder in der Lage zu verstehen, wie wichtig beispielsweise Gipsabgüsse der Mitte des 19. Jahrhunderts sind. Selbstverständlich befindet sich das Original des Braunschweiger Löwen heute immer noch in Braunschweig, doch der Abguss im Germanischen Nationalmuseum zeigt diese Skulptur ohne die Umweltbeeinträchtigungen der letzten anderthalb Jahrhunderte. Ein direkter Vergleich der Bronzetüren von Hildesheim, Augsburg und Nowgorod wird durch einen Besuch im Germanischen Nationalmuseum ermöglicht, wo sich die entsprechenden Gipsabgüsse unmittelbar nebeneinander befinden.

Schon im Jahre nach der Gründung 1852 erschien der erste "Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit" in Kooperation mit dem Leipziger Verlag Friedrich Fleischer, ab 1853 wurden auch jährlich Publikationen des Museums herausgebracht: der Jahresbericht, die Denkschriften und bereits damals der "Anzeiger": Er enthielt vor allem Berichte über Ankäufe und organisatorische Änderungen des Museums und entwickelte sich zu einer bedeutenden wissenschaftlichen Zeitschrift, später ergänzt durch die "Mitteilungen". Seit 1853 werden diese Bücher in einem eigenen "Verlag der literarisch-artistischen Anstalt" des Germanischen Nationalmuseums veröffentlicht - somit im ältesten Museumsverlag der Welt, der bis heute noch besteht!

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AsKI KULTURBERICHTE 2/2002

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